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Weltinnenraum. Das Planetarium als Medium kosmologischer Reflexion
[1]
- © Meyer
Tagung des DFG-Projekts Zeit · Bild · Raum
Veranstaltet vom Fachgebiet Literaturwissenschaft der
Technischen Universität Berlin, Prof. Dr. Hans-Christian von
Herrmann
Organisiert von Julian Furrer und Isabell Schrickel
Donnerstag, 25. April 2013, 21:15-23:00 Uhr, Planetarium am
Insulaner [2]
Freitag, 26. April 2013, 10:00-18:30 Uhr,
Archenhold Sternwarte
Das Planetarium wurde in den
1920er Jahren im Auftrag des Deutschen Museums in München durch die
Firma Zeiss in Jena realisiert und prägte durch den Vertrieb in die
ganze Welt rasch Vorstellung und Verständnis vom Kosmos. Dies gelang
insbesondere durch die eigentümliche Verschränkung eines
mechanischen Modells des kopernikanischen Weltsystems mit einer
Projektion, die das Weltall zunächst in geozentrischer Perspektive in
einem Kuppeldisplay zur Anschauung bringen konnte. Die Kuppel erinnert
an die sphärischen Schalen alter Kosmologien – ist aber
tatsächlich durch die geodätische Konstruktion und das neuartige
Spritzbetonverfahren der Firma Dyckerhoff & Widmann, das in
zahlreichen Industriebauten zum Einsatz kam, ein Produkt der
Avantgarde der 1920er Jahre. Das Planetarium verband die
Huygens’sche Mechanik der Planetenbahnen mit dem Blick von der Erde
an den Himmel, also ein objektives Modell und den Blick von Außen mit
der geozentrischen Perspektive. Aus dem mechanischen Modell des 17.
Jahrhunderts, das seine technische Faktur auch auf die nun selbst als
mechanisch verstandene Natur übergehen ließ, ist eine
Medienistallation geworden, die den Sternenhimmel nun als rein
optisches Phänomen präsentiert. Es inkorporiert die gesamte
Wissensgeschichte der astrophotographischen Vermessung des
Sternenhimmels und erdet diesen, macht ihn erfahrbar und steuerbar.
Denn im Planetarium lässt sich das Geschehen am Himmel zunächst
zeitlich und – mit den Raumfahrtplanetarien bald auch räumlich –
fast beliebig auflösen. Sowohl Naturgeschichte, als auch die
Simulation künftiger Konstellationen können sichtbar gemacht werden,
in einer künstlich hergestellten Nacht, die nicht vom Licht der Sonne
und der Lichtverschmutzung moderner Zivilisation gestört wird.
Das DFG-Projekt Zeit · Bild · Raum untersucht dieses
Proto-Simulationsmedium aus systematischer wie historischer
Perspektive. Neben epistemischen und wissenshistorischen bilden
hierbei poetologische und ästhetische Aspekte die Trajektorien der
Forschung.
Ein Beispiel für das Planetarium als
epistemischer Raum etwa stellt seine Passagenfunktion für die
Raumfahrtgeschichte dar. „3000 Kilometer in der Stunde im Fluge um
die Erde“ lautete der Titel eines Programms, der in den 1930er
Jahren regelmäßig im Jenaer Planetarium gefahren wurde. Die Reise
durch Zeit und Raum bildete so zunächst einen der beliebtesten Topoi
des Planetariums, bevor es selbst für die navigatorische Ausbildung
bei Marine und Infanterie und schließlich bei der NASA, aber auch in
der Tierverhaltensvorschung zu Untersuchung der astronavigatorischen
Fähigkeiten von Zugvögeln operationalisiert worden ist, um dann als
Ort des Reenactements die Eroberung des Weltalls kollektiv
nachzuvollziehen. Das Planetarium stellt so eine konkrete
Materialisierung der biologischen und psychologischen Diskurse der
1920er Jahre dar, die etwa die Explikation des Verhältnisses von
Lebewesen zu deren Umwelten verhandelt haben. Dabei setzt es
allerdings bei den Umweltbedingungen selbst an und bildet so einen
Schauplatz dessen, was Peter Sloterdijk als Umweltumkehrung bezeichnet
hat.
Von Anfang an ist die Geschichte des Planetariums mit
seiner Rezeption als künstlerischem Experimentalraum verbunden.
Seitdem es während seiner Entstehung in Jena in den 1920er Jahren das
Interesse Weimarer Bauhaus-Künstler geweckt hatte, ist es in
Variationen in verschiedenen künstlerischen Bewegungen und
Design-Projekten immer wieder aufgetaucht. Das Movie-Drome Stan
VanDerBeeks, Weltausstellungspavillons, wie der Pepsi-Pavillon der
Gruppe E.A.T. (Experiments in Art and Technology) um den Ingenieur
Billy Klüver in Osaka 1970 oder R. Buckminster Fullers sphärische
Informationsarchitekturen – drei Beispiele für die Dome-Culture des
20. Jahrhunderts, deren verbindende Elemente vielleicht die Suche nach
ganzheitlichen Erfahrungen, Partizipation und die Einübung neuer
ökotechnologischer Haltungen sein könnten.
Auffällig
bleibt, dass das Planetarium einen Raum eröffnet, der all diese
epistemischen und ästhetischen Eigenschaften im Grunde stets in
gegenseitiger Abhängigkeit hervorbringt: er ist epistemisch, weil er
ästhetisch ist – er ist ästhetisch, weil er epistemisch ist.
Das Planetarium steht insofern für eine spezifische Wissenskultur,
deren Merkmale und Bezüge zum Medium die Tagung in Vorträgen und
Diskussionen erörtern wird.
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Kontakt
DFG-Projekt Zeit · Bild · Raum
Technische Universität Berlin
Fakultät I –
Geisteswissenschaften
Institut für Philosophie, Literatur-,
Wissenschafts- und Technikgeschichte
Fachgebiet
Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Literatur und
Wissenschaft
Straße des 17. Juni 135
10623 Berlin
E-mail: zeitbildraum@gmail.com [3]
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